Wege zur Innovation
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Nutzergeschichten erfinden und spielen. Anschlussfähigkeit von Innovationen herstellen.

Von Axel Klopprogge

 

Es gibt ein Bonmot des Harvard Business School Professors Theodore Levitt, mit dem man in jedem Managementvortrag die Lacher auf seiner Seite hat: “People don’t want to buy a quarter-inch drill. They want a quarter-inch hole!” Leider ist der Satz falsch oder zumindest irreführend und innovationsfeindlich. Er setzt voraus, dass das Bedürfnis schon handlungsanleitend definiert ist, bevor die Lösung gefunden ist. Die Innovationsgeschichte zeigt jedoch, dass – um im Bild zu bleiben – die Menschen sich vor der Erfindung des Viertelzoll-Bohrers gar kein Viertelzoll-Loch vorstellen und es dementsprechend auch gar nicht wollen konnten. Der Wirklichkeit viel näher kommt das Henry Ford zugeschriebene Zitat: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“

Die Kundensituation antizipieren, ohne den Kunden zu fragen

Dies führt in ein Dilemma der Innovationsarbeit. Je radikaler eine Innovation ist, desto weniger klar sind die Rahmenbedingungen, desto weniger existieren klare Anforderungen der Kunden. Eine wirklich radikale Innovation kann nur bedingt auf Anforderungen, Bedürfnisse und Wünsche von Kunden bauen. Das ist der Fehler vieler Ansätze zur Innovation. Das Gegenteil zu tun, nämlich einfach nur zu sagen, dass der Kunde gar nicht hilft, nützt dem Innovator aber auch nicht weiter.

Eine Innovation muss nicht immer nur in einer bahnbrechend neuen Technologie bestehen, sondern auch in der nutzerorientierten Neugestaltung eines Prozesses. Der Vorteil eines Produktes muss sich nicht nur in klassischen Leistungsdaten äußern, sondern vielleicht auch darin, wie er beim Kunden ausgeliefert wird oder wie er beim Kunden gelagert wird. Vielleicht bedeuten diese Aspekte sogar mehr als die nackten Leistungsdaten. Solche Erkenntnisse mögen auf den ersten Blick trivial erscheinen, aber offenbar sind sie es nicht, denn die Welt ist voll von Produkten, die diese ganzheitliche Nutzerperspektive nicht berücksichtigt haben. Nehmen wir Hotelzimmer: Haben wir nicht oft den Eindruck, dass sie von Menschen entworfen wurden, die selbst noch nie in einem Hotelzimmer übernachtet haben? Es gibt gemütliche Sessel ohne Leselampe oder große Schränke ohne Fächer. Die Hersteller wissen einfach nicht, welche ganz konkreten Geschichten sich im Leben eines Produktes abspielen. Und solche Fehler können ein Produkt genauso zu Fall bringen wie eine falsche Konstruktion des Produktes selbst. Bei der Realisierung und Markteinführung eines neuen Produktes muss man an all solche Sachen denken. 

Wenn der Innovator keine Nutzergeschichte besitzt, weiß er selbst gar nicht, was er will. Er kann auch nicht kritisch mit sich selbst sein, weil es dafür gar keinen Pack-an gibt. Dies endet oft damit, dass der Innovator enttäuscht und beleidigt ist über die unverständige Welt, die ihn nicht würdigt. Wenn dies schon bei Produkten, die uns seit Jahren umgeben, der Fall ist, wie viel schwerer muss dies sein, wenn es sich um wirkliche Innovationen handelt, die einen Bedarf erfüllen sollen, der noch nicht existiert? Der von Clayton Christensen und anderen entwickelte Ansatz des „Jobs to be done“ bietet auf der einen Seite einen Lösungsansatz, weil er durch Beobachtung Nutzergeschichte herausfinden will, statt den Kunden zu fragen, welche Lösung er will. Aber gleichzeitig ist der Ansatz zu eng und zu konservativ, weil er davon ausgeht, dass die Nutzergeschichten und die Jobs-to-be-done schon da seien und nur entdeckt werden müssen.

Nutzergeschichten erfinden

Bei radikalen Innovationen muss man die Nutzergeschichten erfinden – und zwar in doppeltem Sinne: einerseits mit Betonung auf „erfinden“, vor allem jedoch mit Betonung auf „Nutzergeschichten“. Jede Innovation braucht Anschlussfähigkeit. Da man diese Anschlussfähigkeit nicht durch Kundenbefragung herstellen kann, weil er dann nicht den selbstreferentiellen Zirkel verließe, muss man ihn durch erfundene Nutzergeschichten herstellen. 

Der Begriff der „Geschichten“ ist dabei nicht einfach nur ein modisches Wortspiel. Sondern es ist ganz wörtlich gemeint wie bei einem Märchen: „Rotkäppchen ging in den Wald. Dann tat sie dies. Und dann tat sie das. Und dann traf sie auf den Wolf...“ Nehmen wir das Beispiel des Hotelzimmers: Was ist die Nutzergeschichte, die sich abspielen wird? Was soll der Nutzer dort machen? Und was fehlt oder was muss geändert werden, damit er es tatsächlich tun kann. Das können große Dinge und es können kleine Details sein. Vieles ist teuer, wenn man es zu spät bemerkt, aber kostenneutral, wenn man es früh einplant. 

Nutzergeschichten für eine Innovationen werden am Anfang abstrakt sein, aber sie müssen immer konkreter werden und Stück für Stück alles einbeziehen. Am Anfang erzählt man sich vielleicht nur Geschichten, die man immer weiter verfeinert. Später kann man sie auch durchspielen. Die Kompetenzen des Improvisationstheaters sind hier ein wichtiger Beitrag. Mock-ups, Prototypen und virtuelle Animationen können wertvolle Hilfsmittel sein. 

Nutzergeschichten werden vielleicht auch falsch sein, aber wer keine Nutzergeschichten erfindet, kann auch nicht herausfinden, dass sie falsch sind. „Falsch“ kann zum Beispiel heißen, dass für die Anschlussfähigkeit und Realisierung ein kleines Glied erforderlich ist, das nicht existiert und die Kräfte des Innovators überfordert. Der Innovator sieht nur die vermeintliche Weltrettung und ist überzeugt, dass der Kunde eine so tolle Sache doch einfach wollen muss, und übersieht dieses fehlende Glied. Die Lösung ist nicht einfach ein munteres „Geschichtenspielen“, bei dem alle Spaß haben und sich sofort die richtige Lösung ergibt. Genauso wertvoll kann die Erkenntnis sein, dass man einfach nicht weiß, was mit einem Produkt auf seiner Lebensreise passiert und deshalb erst mal recherchieren muss. 

Statt einer trügerischen Sicherheit aus Kundenbefragungen gewinnen Unternehmen durch Nutzergeschichten ein anschauliches Bild, was tatsächlich mit Ihrem Produkt passieren soll. Damit haben sie auch den Maßstab, Fehler und Lücken zu identifizieren und zu korrigieren. Nutzergeschichten zu entwickeln, sie immer konkreter zu erzählen und schließlich zu spielen, kann ein Königsweg sein, die Lücke zwischen Neuigkeit und Anschlussfähigkeit zu überbrücken. Durch die interdisziplinären Erfahrungen von Technik, Markt und Produktion und vor allem die Kompetenz im Improvisationstheater kann das Kanway Innovation Team bei der Lösung eines alten Dilemmas der Innovationsarbeit unterstützen. 

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