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Ist Innovation jung? Personalpolitik zwischen Innovation und Demografie

Von Axel Klopprogge 

Wenn Bilder nicht lügen, ist die Antwort klar: Ja, Innovation ist jung. Eine Google-Bildersuche unter den Stichworten „Innovation“ oder „Kreativität“ zeigt vorwiegend junge Menschen, leger, aber doch hochwertig gekleidet, mit großer Sorgfalt auf Lässigkeit frisiert und gut gelaunt, die in lichtdurchfluteten Lofts mit Hochstühlen und Kicker ganz schnell bahnbrechende Neuigkeiten in die Welt setzen. Wenn man in die Management-Literatur zum Thema Innovation schaut, sieht das Bild nicht viel anders aus. Nach den verschiedenen kursierenden Listen stehen die bekannten Silicon Valley Unternehmen Apple, Tesla, Microsoft, Amazon, Google, Facebook an der Spitze der innovativsten Unternehmen der Welt. Gleichzeitig zeigen Erhebungen, dass die Belegschaften dort über 10 Jahre jünger sind als der Durchschnitt der amerikanischen Unternehmen.

Der biologische Zusammenhang ist nicht unausweichlich

Was macht ein Familienunternehmen, das nicht nur mit dem normalen Innovationsdruck konfrontiert ist, sondern disruptive Innovationen benötigt? Braucht es jetzt ganz viele junge Mitarbeiter, die es aber wegen der demografischen Entwicklung nicht gibt? Angesichts der demografischen Entwicklung sind wir bei Strafe des Untergangs dazu verdammt, das Thema in seiner Tiefe zu verstehen und nach Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten zu suchen.

Vielfach wird Kreativität mit Fluider Intelligenz in Verbindung gebracht und mit Divergentem Denken gleichgesetzt. Aufgrund der weit verbreiteten Auffassung, dass die Fluide Intelligenz schon mit Mitte 20 nachlässt, wird davon ausgegangen, dass Divergentes Denken und damit die Kreativität sinkt. Es gibt jedoch durchaus Untersuchungen, die die Aussagen zur fluiden Intelligenz und zum Divergenten Denken in Frage stellen. Zusammengefasst zeigt sich nur die Verarbeitungsgeschwindigkeit als relevant, die sich als kompensierbar erweist. Darüber hinaus ist Kristalline Intelligenz unerlässlich für Kreativität. Gemäß Längsschnittstudien sinkt nur die Verarbeitungsgeschwindigkeit in jungem Alter, während die anderen kognitiven Fähigkeiten erst nach dem 60. Lebensjahr anfangen leicht nachzulassen. Bei Messungen ohne Zeitdruck erzielen Ältere genauso gute kreative Ergebnisse wie Junge. Expertise scheint den Abbau der Verarbeitungsgeschwindigkeit zu kompensieren. Sowohl Kristalline als auch Fluide Intelligenz stehen im Zusammenhang mit Kreativität und Innovation. 

Die wirkliche Antwort liegt nicht im psychologischen Labor, sondern man muss reale Innovationsprozesse und Innovationsbiografien anschauen. Ausgangsbasis dazu ist ein Blick in die realen Innovationsprozesse und ihre Phasen. Die erste Phase besteht nicht primär darin, eine kreative Idee zu generieren, sondern darin, auf ein Niveau zu kommen, welches es einem überhaupt erst erlaubt, eine wirklich kreative Idee zu erzeugen, aus der vielleicht eine Innovation werden kann. Eine Kreativität, die nicht auf diesem Plateau stattfindet, ist eine oberflächliche Originalität. Phase 2 richtet sich auf die Reifung. Mit Reifung ist gemeint, dass eine Idee, eine Lösung, eine Theorie nicht nur als Absicht existiert und nicht nur einmal prinzipiell im Labor funktioniert hat, sondern tatsächlich im Alltag und zu vertretbaren Kosten. Phase 3 ist der Anschlussfähigkeit gewidmet. Nach der Reifung ist die Idee im technischen Sinne fertig, aber sie hat noch keinen Anschluss gefunden. Eine Idee oder gar ein reifes Produkt muss sich der Welt zu stellen und Anschluss zu finden. Jeder dieser Phasen dauert etwa fünf bis zehn Jahre – daran hat sich in neuester Zeit nichts geändert. In allen drei Phasen gibt es Platz für Alte und Junge. Ja, Unternehmen trauen gemischten Teams mehr zu. 

Personalpolitisches Handeln für reale Innovationsprozesse

Es gibt also keinen biologischen und nach Jahren abzählbaren Zusammenhang zwischen Alter und Innovationsfähigkeit. Dies bedeutet aber keineswegs, dass das, was in den relevanten 40 Jahren passiert, völlig gleichgültig wäre. Die Erklärung für diesen scheinbaren Widerspruch liegt in etwas, was man als biografische Risiken bezeichnen könnte. Der erste biografische Risikofaktor ist ein simpler arithmetischer. Wer eine Idee hat, die dafür nötige Kompetenz aufbaut, die Idee zu Reife und Alltagstauglichkeit bringt und ein Unternehmen gründet, das ein wettbewerbsfähiges Produkt erfolgreich am Markt platziert, der bräuchte dafür 20-30 Jahre. In unserer Lebenszeit kann sich ein solcher Zyklus eigentlich nur einmal abspielen. Andere biografische Risiken haben ironischerweise mit dem Erfolg zu tun haben. Erfolg kann bequem machen, er kann korrumpieren. Weitere Risiken haben auch mit dem Organisationsumfeld zu tun, in dem man sich befindet. Man kann an einem Thema und der dazugehörigen Stelle hängen. Oder es kann auch sein, dass das Unternehmen sich nicht um solche Weiterentwicklungen kümmert. 

Wenn der Zusammenhang zwischen Alter und Innovation biologisch bedingt wäre, gäbe es wenig, was man tun könnte. Wenn aber ein viel größerer Einfluss von biografischen Faktoren ausgeht, dann gibt es auch Stellhebel zum Handeln. Die Leuphana Universität in Lüneburg hat gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) den Later Life Work Index entwickelt, mit dem man generell die Tauglichkeit von Arbeitsbedingungen für Ältere bewerten kann. Hinzu kommt in Werkzeugkasten betrieblicher Maßnahmen. Wir nutzen diese innovativen und anerkannten Verfahren und wenden sie speziell auf die das Thema der Innovation in alternden oder gemischten Belegschaften an. Stichworte lauten hier etwa: Vorsicht mit Kreativitätstests bei der Einstellung, Altersmischung in Innovationsteams, Personalentwicklung bis zuletzt, Verkürzung der Verweildauer in angestammten Funktionen, Altersgerechte Arbeitsumgebung, Fordern und Fördern zum Beispiel durch Reverse Mentoring. (Hierzu ausführlich im Buch "Grenzgänger")

Es gibt keinen Grund für einen naiven Glauben an die Gleichung „jung=innovativ“. Zum anderen gibt es aber auch keinen Anlass für romantische Vorstellungen nach dem Motto „You’re younger than ever“. Die biographischen Risiken sind gewaltig. Wie die Alterskurve in Innovationsteams oder das größere vertrauen in gemischte Innovationsteams und die hohe Zahl älterer Start-up-Gründer zeigen, gibt es in der realen unternehmerischen Praxis offenbar noch keine allgemeine Benachteiligung Älterer, der man entgegenwirken müsste. Umso mehr muss man die biografischen Risiken durch konkrete Maßnahmen angehen. 

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